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Letzte Nacht träumte mir – und es gibt keine Worte, die das wiedergeben können –, dass ich bei einem Tennisturnier war, es könnte Roland Garros in Paris gewesen sein. Es hieß, Sie seien dort, und dann entdeckte ich Sie plötzlich in der Menge. Ich hielt ein Huflattichblatt in der Hand, so ein Riesenblatt, das man sich als Kind auf den Kopf gestülpt hat und das an Bachrändern wächst. Ich hielt das Blatt wie einen Blumenstrauß in der Hand und eilte hinter Ihnen her durch die Menge, wobei das Blatt zwischen den vielen Menschen zerrieben wurde. Sie waren jung, Ende zwanzig, und in Begleitung Ihres Bruders, der Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten war. Ich ging ein paar Minuten neben Ihnen und sagte dann: „Darf ich mich vorstellen, ich heiße Rolf Steiner“, und hielt Ihnen während des Gehens meine Hand zum Gruß hin. Sie sagten eine Zeit lang nichts, und ich dachte schon, Sie hätten vergessen, dass wir korrespondiert hatten, aber dann sagten Sie plötzlich erstaunt: „Sie sind hier!? Ich dachte, Sie wären auf dem Berg. Sie wollten doch das Wesen der Berge erkun-den.“ Ich hatte das Gefühl, ich hätte meine Mission verraten, und Sie würden mich deshalb verachten und denken: so leicht lässt der sich von seinem Weg abbringen. Ich erinnere nicht mehr, wie die Unterhaltung weiter ging, jedenfalls sind wir noch ein Stück zusammen gegangen. In der nächsten Szene trugen Sie und ich ein Brett, das so lang war, dass es durchhing, obwohl es ziemlich dick war. Dann zimmerten Sie daraus ein Podest, und wir legten uns, jeder in seinen Schlafsack gehüllt, darauf und schauten in den Sternhimmel. Sie sagten, das sei doch ein wunderbarer Platz, ich glaube, es war irgendwo im Kölner Stadt-wald, und ich dachte bei mir, na ja, ganz schön, aber nichts herausragendes, spektakuläres. Aber das ist ja in seinem Sinne, fiel mir dann ein, das ist ja genau das, was er will, im Beiläufigen, Wegrandigen das Spektakuläre zu sehen, und Sie kamen mir vor, wie jemand der es geschafft hat, wie ein indischer Wanderprediger, der es nicht mehr nötig hat, Kraut von Unkraut zu trennen. Und dann sagten Sie, Sie seien beim Licht angelangt, beim Studium des Lichts, so, als hätten Sie alle anderen „Elemente“ wie Meer, Wind, Berge, Wüste und so weiter bereits durchstudiert. Dann wurde der Traum undeutlich, zusammen-hanglos, irgendwann saß ich in einer gutbürgerlichen Gastwirtschaft und schaute fern, und es kam ein Bericht über Sie, über das Dorf, aus dem Sie stammen, Kamering – nein, jetzt merke ich, dass es gar nicht Ihr Dorf ist, sondern das von Josef Winkler, Ihres heißt ja Griffen – und dann saß ich mit Ihnen und Ihren Freunden zusammen, wiederum in einer Wirtschaft, es wurde viel geredet, dann entglitt mir der Traum, und hätte ich weiter versucht, ihn zu erinnern, hätte ich ihn zugerichtet wie ein gerupftes Huhn.

Paris, in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai 2010

(140 x 80 cm)