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Puppenhaus – Die Stunden da sie nichts voneinander wissen

Mit Einbruch der Dunkelheit geht die Straßenbeleuchtung an. Die zwischen den Häusern gespannten Lampen bewegen sich im Wind. Im Kachelhaus brennt in einigen Wohnungen Licht. Das Licht macht die Gardinen durchsichtig, beleuchtet stumme Szenen, Handlungsbruchstücke, und es ist der Phantasie überlassen sie zusammenzusetzen. Wand an Wand hausen die Bewohner, Balkon an Balkon, in gleichgroßen Wohnungen, je ausgestattet mit einem Küchen- und einem Wohnzimmerfenster und einer Balkontür. In einer Wohnung probiert eine junge Frau ein Kleid vor dem Spiegel an, streift es wieder ab, während auf dem Balkon nebenan eine alte Frau mit einem Staubtuch über die Strippen eines Wäscherecks fährt, sich dann über das aus Holzlatten gefertigte Balkongeländer beugt, einmal nach rechts und einmal nach links auf die Straße blickt (wobei es den Anschein hat, als nähme sie gar nichts wahr, als ginge es ihr nur um den Vollzug einer Handlung), im vierten Stock eine Frau das Wohnzimmer betritt, ihren weißen BH auszieht, ihre großen festen Brüste wippend das Licht der Welt erblicken, um sogleich wieder unter einem dunkelroten BH zu verschwinden, während nebenan ein Mann, eben sah man ihn noch die Knie beugen, die Arme kreisen lässt, in einer anderen Wohnung das Licht angeht, die junge Frau vor dem Spiegel, sich über die Schultern blickend, mittlerweile das vierte Kleid anprobiert, ein Mann in der Wohnung, in der so eben das Licht angegangen ist, den Kühlschrank öffnet und etwas, das wie eine Melone aussieht, herausholt, in der Wohnung darüber eine Frau auf dem Balkon erscheint, sich eine Zigarette anzündet, dann die Arme auf dem Geländer abstützt und dem Verkehr zusieht, und die alte Frau, nun eine Schürze umgebunden, wieder den Balkon betritt, wieder die Straße hinauf und hinunter blickt (die Kopfbewegung erinnert an die ins Leere gehenden Gebärden der Blinden, nur dass im Fall der alten Frau nicht das fehlende Augenlicht, sondern das jahrelange Alleinsein der Bewegungsgrund ist), dann in die Wohnung zurückkehrt, im weißen Licht der Küche ein Glas unter den Wasserhahn hält, es in einem Zug leert, sich an den Küchentisch setzt und Gemüse, ob es Möhren sind oder Zucchini, lässt sich nicht erkennen, für das Abendessen klein zuschneiden beginnt.