Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller hat Rolf Steiner immer schon als Schrift-Steller gearbeitet, zum einen, indem er mit verschiedenen Künstlern auf eigene Weise gestaltete, und in bibliophiler Auflage erscheinende Bücher gemacht, zum anderen, indem er seinen belletristischen Büchern Textmaterial entnommen und dieses bildnerisch gestaltet hat.

In den ersten bibliophilen Büchern, die seit 1985 in Verbindung mit Norbert Prangenberg entstanden sind, war die Zusammenarbeit dadurch geprägt, dass der Schriftsteller einen Text vorgegeben, der Künstler sich von ihm hat anregen lassen und dann Linol- oder Holzschnitte oder Aquarelle angefertigt hat. In diesen Büchern stehen sich Wort und Bild gleichwertig gegenüber. Sie sind nicht eindeutig aufeinander bezogen und gehen folglich kein illustratives Verhältnis ein. Später dann hat Steiner versucht Text und Bild aus ihrer formalen Isolation zu lösen. Es ging ihm darum, über eine formale Verhältnismässigkeit, eine bloß graphische Gewichtsverteilung von Wort und Bild hinaus zu gelangen, der Text sollte einen eigenen Körper haben. So ist das Buch Tür Zu entstanden, auf dessen Seiten sich Bild- und Wörtliches durchdringen wie Land und Wasser in einem weit verzweigten Flußdelta.

Parallel dazu hat Steiner mit seinen belletristischen Büchern immer wieder Ausflüge ins Reich der bildenden Kunst gemacht, ihnen Worte und Sätze entnommen und diese als bildnerisches Material bearbei­tet, sei es, dass er die Form der Buchstaben verändert, die Kohärenz zwischen ihnen aufgelöst, sei es, dass er Worte in Holz oder Linoleum gekerbt hat. Vielen Techniken ist gemein, dass die Schrift an den Rand der Unlesbarkeit getrieben ist, die Buchstaben also zu graphischen Zeichen werden, die mehr oder weniger ihre Bedeutung, ihr Bezeichnetes verlieren.

Im Jahr 2001 entstand Die weite Welt, 9 im DinA3 Format mit Tintenstrahl gedruckte, und in einer blauen Schachtel aufbewahrte Texte, die 9 Künstlern (Hella Berent, Georg Ettl, Christine und Irene Hohenbüchler, Horst Münch, Norbert Prangenberg, Peter Schmersal, Claudia Shneider, Volker Tannert, Tanya Ury) zur Bearbeitung gegeben wurden mit der Maßgabe, nichts als Wasser und Pinsel zu be-nutzen, also mit den "Worten zu malen". Die 9 vermalten Textblätter stellen eine Art Palimpsest dar, in dem das Gemalte das Geschriebene überlagert.

2003 fertigte Steiner im Rahmen eines Stipendiums am Starnberger See 70 literarische Skizzen an. Wie ein Maler, der nach der Natur zeichnet, ging auch er, nur einen Schreibblock und einen Klappstuhl im Gepäck, hinaus in die Voralpenlandschaft, um mit Worten all das, was ihn in Bann schlug, zu zeichnen. Die entstandenen Texte werden wie Zeichnungen präsentiert, also gerahmt und mit Passepartout verse­hen. Drei von ihnen, als Triptychon unter dem Titel Die Schmerzensmutter mit zweien ihrer tödlich verunglückten Söhne gefasst, sind in dieser Ausstellung zu sehen bzw. zu lesen.